Luftsportarten

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Wir verleihen dem Norden Flügel...

Segelflug

Segelfliegen – Vorsicht, macht süchtig! 

Mit einem Klick rastet das Seil in die Kupplung ein – es ist der direkte Draht zur Startwinde am anderen Ende des Flugplatzes. Unendlich langsam zieht sich das Seil straff. Ein letzter Blick zum*r Helfer*in an der Spitze des Flügels, dann ergreift eine enorme Kraft das Flugzeug. Es beschleunigt, hebt ab, reckt die Nase in den Himmel, erst flach, dann immer steiler. Wenige Sekunden später klinkt das Seil aus. Stille im Cockpit. Die Welt da unten erscheint unendlich weit weg. Für den*die Pilote*in beginnt jetzt die Suche nach der Thermik, also nach aufsteigender Warmluft. Es kann der Auftakt zu einem kurzen Schulflug sein, ebenso gut der Beginn eines 1000-Kilometer-Flugs. Eindrücke wie diese sind es, die das Segelfliegen ausmachen. Und doch kratzen sie nur an der Oberfläche dessen, was in dieser Sportart möglich ist. Wer den Flug ohne Motor einmal erlebt hat, um den ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit geschehen. 

Deutschland gilt als Traditionsland des Segelflugs. Seine Anfänge gehen in die 1920er Jahre zurück. Als nach den beiden Weltkriegen der motorisierte Flug in Deutschland verboten war, erlebte der Segelflug wahre Höhenflüge – aus einer Reaktion der Pilot*innen und Konstrukteur*innen auf ein politisches Verbot wurde eine sportliche, wissenschaftliche und technische Luftfahrtdisziplin. Heute sind mehr als 30 Prozent der deutschen Pilot*innen im Besitz einer Segelfluglizenz. Segelflugzeuge „made in Germany“ gehören heute weltweit zur Spitze. 

Spitzenleistungen mit Sonnenergie

Segelflieger nutzen in erster Linie die Kraft der Sonne. Sie liefert die Energie für die begehrten Aufwinde, in denen Segelflugzeuge an Höhe gewinnen, um so von einem Aufwind zum nächsten zu gleiten. Auch Hangwinde und Wellenwetterlagen werden genutzt, um Energie in Strecke umzumünzen. Am Ende eines guten Tages sind Distanzen von mehreren Hundert Kilometern nichts Ungewöhnliches. 

Aerodynamisch sind Segelflugzeuge das Maß der Dinge: Moderne Composite-Segler gleiten aus 1000 Metern Höhe 40 Kilometer und mehr. Gestartet wird an der Winde – siehe oben –, im Schlepptau eines Flugzeugs oder selten auch im Autoschlepp oder am Gummiseil.  Einige Segler sind zudem mit Motoren ausgerüstet, die einen Eigenstart ermöglichen und die sichere Heimkehr sicherstellen, falls die Thermik versiegt. Elektroantriebe haben sich längst als Alternative zu Verbrennern etabliert. 

Ein Sport ohne Grenzen

Kaum eine andere Sportart ist so herausfordernd wie der Segelflug. Pilot*innen müssen sich intensiv mit dem Wetter auseinandersetzen und müssen ständig Entscheidungen treffen, um ihr Tagesziel zu erreichen. Selbst Flüge im Platzbereich fordern permanente Aufmerksamkeit, um nicht „abzusaufen“. Bei längeren Flügen ist zudem ein gesundes Maß an körperlicher Fitness gefordert. Schließlich muss die Konzentration immer noch für eine saubere Landung reichen. 

Segelflug kennt keine Altersgrenzen und unterscheidet nicht zwischen Männern, Frauen und Diversen. Weil nicht athletische Leistung, sondern Geschick und Verstand entscheiden, haben alle Geschlechter gleiche Chancen, an Meisterschaften und Rekordflügen teilzunehmen.

Der Segelflug ist schließlich auch eine Jugend-Luftsportart, weil die Ausbildung abhängig von der geistigen und körperlichen Reife ohne Altersbeschränkung begonnen und mit 16 Jahren abgeschlossen werden kann. Schließlich ist der Segelflug Teamarbeit: Ohne gegenseitige Hilfe kommt niemand in die Luft.

Die Ausbildung ist intensiv und braucht viel Zeit

Eine Segelflugausbildung ist zeitaufwändig. Nur, wenn das Wetter mitmacht, kann geflogen werden – meistens in der warmen Jahreszeit, seltener im Winter. An den Flugtagen geht nichts ohne Helfer*innen am Boden, die die Winde bedienen, die Flugzeuge an den Start schieben und die Flugzeiten notieren. In den Wintermonaten wird in den Vereinen Theorie gelernt und der Flugzeugpark fürs nächste Frühjahr auf Vordermann gebracht. Als Belohnung fürs Durchhalten gibt es intensive Eindrücke, gekrönt vom ersten Alleinflug, den kein*e Pilot*in jemals vergisst. 

In 70 Segelflugvereinen Niedersachsens erfolgt die Ausbildung auf doppelsitzigen Segelflugzeugen nach den Richtlinien der Bundeskommission Segelflug im Deutschen Aero Club. Mindestanforderung für das Ablegen der praktischen Prüfung sind 45 Starts, 15 Flugstunden sowie ein Streckenflug solo oder mit Lehrer*in. Auch gewerbliche Schulen bieten die Ausbildung an. Vor dem ersten Alleinflug muss ein ein fliegerärztliches Tauglichkeitszeugnis vorliegen. 

Die praktische Ausbildung ist vielseitig. Gemeinsam mit dem*r Fluglehrer*in lernt der*die Schüler*in, das Flugzeugs zu beherrschen. Dazu gehören auch unbequeme Szenarien wie etwa das Üben eines Startabbruchs. Sitzt alles, hat ein*e zweite*r Lehrer*in grünes Licht gegeben, steht dem ersten Alleinflug nichts mehr im Wege. In weiteren Verlauf der Schulung werden die fliegerischen Fertigkeiten mal unter Begleitung der Lehrers*der Lehrerin, mal im Alleinflug weiter vertieft, bis hin zu den ersten Überlandflügen. 

In der theoretischen Ausbildung stehen Themen wie Luftrecht, Navigation, Meteorologie, Technik, Verhalten in besonderen Fällen und Menschliches Leistungsvermögen auf dem Lehrplan. 

Durchschnittlich dauert die Ausbildung im Verein drei Jahre. Nach bestandener Prüfung erhält der*die Flugschüler*in einen Luftfahrerschein für Segelflugzeugführer*innen und ist damit berechtigt, je nach Lizenz (LAPL(S) oder SPL) eigenverantwortlich europaweit oder sogar weltweit Segelflugzeuge zu steuern.

Die Lizenz ist die Eintrittskarte in eine faszinierende Welt 

Nach Erhalt der Lizenz steht dem*der Piloten*Pilotin die Welt in alle Richtungen offen. Mehr noch als in anderen fliegerischen Disziplnen geht es darum, Erfahrungen zu sammeln und am Ball zu bleiben. Viele erfahrene Segelflugpiloten messen ihr Können in zentralen und dezentralen Wettbewerben. Auf der Plattform onlinecontest.org laden Pilot*innen aus aller Welt die GPS-Logs ihrer Flüge ins Internet. Andere lassen es gemütlich angehen und fliegen lieber ohne Leistungsdruck. Viele Pilot*innen nutzen das Frühjahr und den Herbst, um in südlicheren Breiten die Saison zu verlängern.